Pechschwarz ist die Nacht, als wir loszumarschieren. Wir wollen sicher vor der Sonne am Gipfel sein. Dass sich das Frühaufstehen gelohnt hat, beginnt schon am Weg klar zu werden. Überraschend bald, fast eine Stunde vor Aufgang, beginnt sich, zuerst zögernd, dann deutlicher, der neue Tag im Osten anzukündigen. Das bläulich-violette Farbenspiel wird vielfältiger, heller. Eindrucksvoll wird es dann gut zehn Minuten bevor der monumentale, glühende Feuerball am Horizont leichtfüßig nach oben schwebt. Die Spannung steigt, die Farben werden im Sekundentakt intensiver. Anfangs fast schüchtern schiebt sich die orange-gelb-rote Kugel von unten ins Bild. Halb, bald schon ganz. Der Mund bleibt offen. Die ersten warmen Strahlen sind eine Wohltat, überraschend kalt ist hier oben die gerade verabschiedete Nacht. Von der anfänglichen Zurückhaltung der Sonne ist jetzt nichts mehr zu sehen, sie gewinnt schnell an Höhe. Nicht einmal eine Viertelstunde später ist das Spektakel vorbei, das sind hier oben am 2166 m hohen Dobratsch nahe Villach in Kärnten am Abend in umgekehrter Reihenfolge wiederholt.
Mr. Bergfotografie Herbert Raffalt
Im Zusammenspiel mit den Launen der Natur hat der Ennstaler über die Jahre beeindruckende Foto-Gemälde geschaffen, so auch die Bilder dieses Artikels. Mehr davon bieten der Bildband „Weitblick“ (€ 35,-) und sein allerneuestes Werk „Seensucht – Unsere schönsten Bergseen – 50 Seenwanderungen“. Herbert Raffalt ist Bergführer und Fotokünstler aus Haus im Ennstal.
www.raffalt.com
Einfach und phänomenal
Sonnenaufgänge zählen zu den emotionalsten Bergerlebnissen überhaupt. Ebenso einfach wie prächtig und Morgen für Morgen in Endlosschleife. Herausfordernd ist nicht der Weg hinauf, sondern die Tatsache, sehr früh, meist noch im Dunkel der Nacht, aufzubrechen. Profis wie der Ennstaler Bergführer und Fotokünstler Herbert Raffalt wissen, was besondere Sonnenaufgänge ausmacht: „Geht die Sonne bei klarem Himmel auf, ist das eindrucksvoll und schön, meist aber relativ unspektakulär. Denn es ist nicht der wolkenlose Himmel, der für die besten Stimmungen und Bilder sorgt, sondern das Zusammenspiel von Sonne und Wolken, etwa nach einem Gewitter oder einem Wetterumschwung.“ Überraschend prächtig sind die Farbenspiele vor Aufgang und nach Untergang. „Ich beobachte speziell bei Untergängen, dass viele Betrachter auf dieses ‚Nachglühen‘ der Sonne vergessen. Dabei zahlt es sich aus, dem Spektakel noch eine Weile zu folgen, weil meist noch schöne Lichtstimmungen folgen“, rät Raffalt die Voraufgangs- bzw. Nachuntergangsphase zu genießen.
Gewusst wie – Sonnenaufgang
Zentral, um einen alpinen Sonnenaufgang oder -untergang gut beobachten zu können, ist ein Berg mit freier Sicht Richtung Osten bzw. Westen. Den zu bewältigenden Weg sollte man vor der nächtlichen Auf- bzw. Untergangswanderung bereits gut kennen oder unmittelbar davor tagsüber gegangen sein, um sich sicher orientieren zu können. Für die Wegteile bei Dunkelheit sollte man auf jeden Fall eine Stirnlampe mit frischer Batterie bzw. frisch geladenem Akku dabei haben. In der Dämmerung und Nacht ist es besonders wichtig, an die Tiere zu denken. Um etwa Rotwild, Gamsrudel oder Vögel nicht mehr als notwendig zu stressen, gilt es immer auf markierten Wegen zu bleiben, nicht unnötig Lärm zu machen und Hunde unbedingt an der Leine zu führen. Und man soll für diese Nachtstrecken etwas mehr Zeit einplanen. Der Zeitplan soll insgesamt so gestaltet sein, dass man nicht erst pünktlich zum Sonnenaufgang am Ziel ist, sondern 15 bis 30 Minuten davor, um den ganzen „Film“ zu sehen, nicht erst zur Schlusspointe anzukommen. Dabei ist zu bedenken, dass die Nacht am Berg auch an warmen Sommertagen meist kühl bis kalt ist und es oft windig ist. Neben Wechselwäsche sind ein Pullover und eine warme Jacke sehr empfehlenswert. Ebenso Haube und Handschuhe. Wer vor hat, professionellere Fotos zu machen, dem empfiehlt Fotoprofi Raffalt ein Stativ mitzutragen. Wer ohne längere Wanderung in den Genuss von Sonnenaufgängen am Berg kommen will, kann zur Wegverkürzung eine der speziellen Sonnenaufgangsfahrten der Seilbahnen, etwa am Dachstein, am Krippenstein, auf die Zugspitze oder in Alpbach nutzen. Und der einleitend beschriebene Dobratsch in Kärnten bietet etwa die Möglichkeit, auf der Villacher Alpenstraße bis auf 1732 Meter Höhe zu gelangen, um von einem etwas über dem Parkplatz gelegenen Aussichtspunkt den Sonnenaufgang zu bewundern.
Tipps und Berge
Es gibt zahllose Berge, die sich gut dafür eignen, „oben“ Sonnenaufgänge, oder das abendliche Untergehen der Sonne zu genießen.
TIPPS
- Freie Sicht: Zwingend nötig ist die freie Sicht Richtung Osten bzw. für den Untergang Richtung Westen. Ideal ist überdies, wenn es eine möglichst markante Horizontlinie, etwa einen ferneren Bergkamm gibt.
- Wetter: Ein Restrisiko auch an strahlend schönen Tagen bleibt, wie imposant sich der Auf- bzw. Untergang entwickelt. Selbst wenn das Wetter nicht makellos ist, kann sich durch Sonne-Wolken-Spiele eine einzigartige Stimmung ergeben.
- Früh bzw. nicht zu kurz: Bereits 45 bis 60 Minuten vor Sonnenaufgang zeigt sich am Horizont und bald am Himmel ein beeindruckendes rot-orange-gelbes Farbenspiel. 15 Minuten bevor die glühende Kugel am Horizont erscheint, sollte man jedenfalls nur noch staunen und sich dafür bis etwa zehn Minuten nach Aufgang einplanen. Beim Untergang bietet die Phase, nachdem die Sonne verschwunden ist, vielfach prächtige Stimmungen.
- Wegwahl und Orientierung: Um früh genug am Ziel zu sein, muss man meist in der noch dunklen Nacht losgehen. Eine gute Stirnlampe ist daher Pflicht. Und, dass man den Weg kennt bzw. in Begleitung eines Ortskundigen unterwegs ist.
- Kälte: Nächte am Berg sind auch im Hochsommer oft eiskalt. Dicke Jacke, Haube, Handschuhe sind Pflicht.
BERGE
Dobratsch – Villacher Alpe (2166 m)
Auf- und Untergang. Alpenstraße ab Villach bis auf 1732 m, zum Gipfel: etwa 1,5 Std. | Nächtliche Sperr- und Wild-Ruhezeiten beachten!
www.naturparkdobratsch.at
Gartnerkofel (2195 m)
Aufgang. Vom Nassfeldpass auf den Gipfel, etwa 1,5 Std.
www.nassfeld.at
Falkertspitz (2308 m)
Aufgang. In den Nockbergen, vom Falkertsee aus je nach Route 1,5 – 2 Std.
www.heidialm.at
Plankogel (1531 m)
Aufgang. Im steirischen Almenland, ab Sommeralm Windrad, etwa 30 bis 45 Min.
www.almenland.at
Scheiblingstein (1622 m)
Aufgang. Im Mostviertel (NÖ) ab Erlaufseestraße knapp nach Langau, etwa 2 – 2,5 Std.
www.mostviertel.at
Tristkogel (2095 m)
Aufgang. Vom Talschluss in Saalbach Hinterglemm aus 2 – 2,5 Std.
www.saalbach.com
Admonter Kalbling (2196 m)
Auf- und Untergang. Im Gesäuse mit Ausgangspunkt Oberst Klinke Hütte etwa 1,5 – 2 Std.
www.gesaeuse.at
Wiedersberger Horn (2127 m)
Aufgang. Bergfahrt per Wiedersbergerhornbahn in Alpbach, dann etwa 45 Min.
www.skijuwel.com
Dachstein – Seilbahn-Bergstation (2700 m)
Auf- und Untergang. Ab Ramsau per Pendelbahn
www.derdachstein.at
Krippenstein (2108 m)
Aufgang. Per Seilbahn von Obertraun
www.dachstein-salzkammergut.com
Zugspitze (2962 m)
Aufgang. Per Tiroler Zugspitzbahn in Ehrwald
www.zugspitze.at