„Skifahren zu können, ist Basisvoraussetzung fürs Skitourengehen“, stellt Andrea Gstöttner klar. Die niederösterreichische Bergretterin ist eine erfahrene Skitoureninstruktorin. „Wir haben in unseren Kursen immer wieder Teilnehmer, die einen Skitourenbasiskurs machen wollen, ohne skifahrerische Basics zu beherrschen“, erzählt sie und rät zu stufenweisem Vorgehen mit Alpinskifahren als Grundlage. „Häufig sind wir mit überaus sportlichen Pistentourengehern konfrontiert, die sehr stark im Aufstieg sind, aber kaum skifahren können. Für sie ist jede Abfahrt mit hohem Sturzrisiko verbunden“, ist auch für Wolfgang Krainer, Skischulchef in Bad Kleinkirchheim, skifahrerisches Können wichtig, damit die Abfahrt nicht zur Qual wird. Deshalb bietet er in seiner Skischule eigene Einsteigerkurse für Skitourengeher ohne bzw. mit geringer Alpinski-Erfahrung an. „Skitourengehen ist eine dynamische Bewegung, kein Fitnesstraining und auch nicht so einfach wie Wandern. Ist man ungeübt und womöglich nicht gut trainiert, ist das Verletzungsrisiko nicht zu unterschätzen. Gleichzeitig ist es, was die Ausrüstung betrifft, sehr technisch. Das erfordert Grundwissen und Handhabungspraxis – beides muss man sich aneignen“, bricht der Salzburger Bergführer Christoph Puggl eine Lanze für systematische Vorbereitung und stufenweises Steigern beim Skitourengehen.

Die ExpertInnen

Andrea Gstöttner

Wolfgang Krainer

Christoph Puggl

Andrea Gstöttner: Erfahrene Instruktorin für Skitouren, Landesskilehrerin und ausgebildete Bergretterin aus Baden bei Wien. andrea_gstoettner@gmx.at

 

Wolfgang Krainer: Ski- und Sportschulleiter in Bad Kleinkirchheim. Er bietet auch spezielle Einsteigerkurse für Skitourengeher, ohne bzw. mit geringer Alpinski-Erfahrung an. www.skischule-badkleinkirchheim.at

 

Christoph Puggl: Staatlich geprüfter Ski- und Bergführer, Skilehrer sowie Sportwissenschaftler. Er ist Teil des Freiluftleben-Bergführerteams aus Salzburg, das u.a. Skitourenkurse für Einsteiger und Fortgeschrittene sowie eigene Lawinen-Sicherheitskurse anbietet. www.freiluftleben.at

An neue Ausrüstung gewöhnen

„Der ungewohnten Ausrüstung wegen empfehle ich Neueinsteigern, die Skifahren können, zum Auftakt zumindest einen Pistenskitag mit der Tourenskiausrüstung einzulegen, bei dem sie sich aufs Abfahren konzentrieren“, rät Expertin Gstöttner. Auch erfahrene Tourengeher fühlen sich im Gelände wohler, wenn sie sich an neu gekaufte Tourenski und Tourenskischuhe bei einem Pistenskitag gewöhnen.

 

Wann ins Gelände?

„Wer auf Tourenski ins freie Gelände will, braucht, neben dem skifahrerischen Können, die komplette Sicherheitsausrüstung, also Lawinen-Verschütteten-Suchgerät (LVS), Sonde und Schaufel. Überdies ist es wichtig, sich mit der aktuellen Lawinen-Gefahrenlage vertraut zu machen und die Wettersituation zu beobachten“, betont die Skitoureninstruktorin. „Um sich im Notfall richtig zu verhalten, kommt man um einen Lawinenkurs und, in der Folge, um regelmäßige Auffrischungen nicht herum“, streicht Gstöttner die Notwendigkeit hervor, selbst unter Stress, professionell suchen zu können. „Statistiken zeigen, dass verschüttete Personen, die binnen zwölf Minuten gefunden und ausgegraben werden, eine über 90-prozentige Überlebenschance haben“, appelliert Bergführer Puggl, die Verschüttetensuche regelmäßig zu trainieren.

Skitouren: Steigerungs-Tipps*

Einsteiger und erfahrene Skitourengeher haben mehr Freude an ihrem Sport, wenn sie nicht überambitioniert in die Skitourensaison starten.
Empfehlenswerte Steigerungs-Stufen:

 

Stufe I. – Skifahrer oder nicht?

Grundfrage bei Einsteigern: Pistenskifahrer? Oder bisher Nicht-Skifahrer?
Wer, ohne das Skifahren auf Pisten zu beherrschen, mit dem Tourengehen beginnen will, sollte, so der eindringliche Bergführer-Rat, zuerst ein solides skifahrerisches Grundkönnen, am besten mit Skilehrerhilfe, aufbauen, bevor das Projekt Skitouren beginnen kann.

Tipp: Skischulen mit Skitourenkompetent wählen und möglichst abseits der Ferienzeiten starten, weil es dann ruhiger ist.

 

Stufe II. – Ausrüstungs-Trockentraining

Man soll seine Tourenski nicht draußen im Schnee das erste Mal anschnallen. Der Schuhanprobe, inklusive Umstellung von Geh- auf Abfahrtsmodus, sollte das Bedienen der Pin-Bindung (Abfahrts-/Aufstiegsmodus sowie Steighilfen-Anwendung) folgen.

Tipp: Neben Ski und Schuh hat es sich bewährt, zentrale Ausrüstungsgegenstände, etwa Felle (auf- und abfellen), Stöcke (Längenverstellung), LVS-Gerät, Schaufel und Sonde, indoor, am besten auch mit angezogenen Handschuhen, „auszuprobieren“.

 

Stufe III. – Pistentage

Auch mit pistenskifahrerischem Können als Basis, sind für Skitouren-Neueinsteiger einer oder mehrere Pisten-Skitage mit der neuen Ausrüstung ratsam. Die Pistenverhältnisse sollten dabei nicht extrem eisig sein. Und am Anfang sind flachere Pisten zu bevorzugen. Ideal ist, wenn das Skigebiet auch die Möglichkeit bietet, am Rand der Pisten, im unpräparierten Gelände, unterwegs zu sein. Pistentage sind auch für passionierte Skitourengeher empfehlenswert, wenn man sich an neue Tourenski und/oder Tourenskischuhe gewöhnen will.

Tipp: Kleinere Skigebiete mit wenig lawinengefährdeten Hängen abseits der Pisten sind ideal. Etwa das Skigebiet Falkert/Heidi Alm in den Kärntner Nockbergen. www.heidialm.at

Stufe IV. – Kurs oder Profi-Begleitung

Erste Skitouren-Gehversuche sollte man nicht alleine machen. Ein Einsteigerkurs bei einem der Alpinen Vereine oder einer spezialisierten Bergsportschule ist ratsam. Eine andere Möglichkeit sind skitourenerfahrene Freunde, die einen auf den ersten Touren begleiten und mit Rat zur Seite stehen.

Tipp: Den Winterurlaub mit einem Skitouren-Einsteigerkurs verbinden, wobei wichtig ist, sich nicht nur dem Skitourengehen zu widmen, um sich nicht zu überfordern. Empfehlenswert sind nicht überlaufene Winterregionen, wie etwa Kals am Großglockner in Osttirol. www.taurerwirt.at

 

Stufe V. – Aufstiegs-/Abfahrtstrainingstouren

Wenn der Funken der Begeisterung übergesprungen ist und die Grundkenntnisse „sitzen“, sind Pistentouren oder Touren auf speziellen Skitourenbergen ideal. Hier kann man, keine/minimalste Lawinengefahr vorausgesetzt, auch alleine unterwegs sein. Die Fitness wird trainiert und man sammelt Erfahrung.

Tipp: Ein Skigebiet wählen, das Pistengehen ausdrücklich erlaubt oder einen der speziell auf Skitourengeher ausgerichteten Berge ansteuern. Etwa: Wurzeralm (OÖ) www.skisport.com/Wurzeralm | Unterberg (NÖ) www.schigebiet-unterberg.at | Ronachkopf (reiner Skitourenberg) bei Zell am See (Sb) www.schmitten.at | Dobratsch (Naturpark ohne Skilifte) nahe Villach (K) www.naturparkdobratsch.at

 

Stufe VI. – Lawinensuche simulieren

Das Basiswissen zur Lawinensicherheit erwirbt man am besten in einem Grundkurs. Den Umgang mit dem Lawinen-Verschütteten-Suchgerät (LVS) perfektioniert man vorab am besten zuhause. Online kann man sein Wissen verfeinern, ehe es hinaus in den Schnee zur simulierten Suche geht.

Tipp: Bei einer der lawinenmäßig gefahrlosen Trainingstouren die gesamte Lawinen-Ausrüstung mitnehmen und LVS-Suche, Sondieren und Schaufeln üben. Oder gezielt einen der LVS-Trainingsparks bzw. Lehrpfade wählen, etwa die von Ortovox. www.ortovox.com

 

Stufe VII. – Ins alpine Gelände

Nach mehreren Trainingstouren ohne Lawinen-Restrisiko sollten Fitness sowie Aufstiegs- und Abfahrtstechnik bereit für solide Gehversuche im ungesicherten, alpinen Gelände sein. Entscheidend ist, dass man dazu nie alleine aufbricht. Zumindest ein erfahrener Skitourengeher als Begleiter ist wichtig. Des Lawinenrisikos wegen und weil er Tipps geben und weiterhelfen kann, wenn man an seine Grenzen stößt.

Tipp: Einfache, lieber zu leichte als zu schwere Touren in einer Region wählen, die mehrere als leichte (blau) eingestufte Touren bietet. Etwa: Innerkrems/Schönfeld (K/Sb) www.skitouren-nockberge.at | Chiemgauer Alpen (Bayern) | Rund um den Wolfgangsee (Sb/OÖ) | Wipptal (T) | Kleinzell (NÖ)

 

* Quellen: ExpertInnen Andrea Gstöttner, Wolfgang Krainer, Christoph Puggl. Bergführer Stefan Zoister, ÖKAS und Oliver Pichler.