Beim ersten Schneefall gehe ich noch nicht auf Skitour, denn der frische Schnee ist meist nicht ideal. Man sinkt weit ein, oft bis zum Untergrund. Erst wenn sich der Schnee etwas gesetzt hat, rate ich, in die Saison zu starten“, betont der Kärntner Berg- und Skiführer Michi Mautz. Wenn man nicht zuwarten will, sollte man genau um die Beschaffenheit des bereits mit etwas Schnee bedeckten Untergrunds bescheid wissen, sonst drohen unberechenbare Gefahren. „Felsen, Baumstümpfe, umgestürzte Bäume oder Latschen sowie in hochalpinen Regionen Gletscherspalten, die noch nicht ausreichend mit Schnee bedeckt sind, erhöhen das Unfallrisiko enorm“, warnt Mautz.
Dem vom Profi empfohlenen Abwarten steht die Sehnsucht, so früh wie möglich den ersten Schnee genießen zu wollen, gegenüber. „Im Herbst und im Frühwinter ist die Motivation besonders groß“, weiß er. Ratsam ist es deshalb für die ersten Skitouren unproblematisches Gelände, das man im Idealfall vom Sommer her kennt, zu wählen. „Ich würde am Beginn des Winters noch nicht in felsige Regionen gehen, dafür liegt meist noch zu wenig Schnee. Besser ist es Wiesen als Untergrund zu wählen und eher im Waldbereich bzw. in Waldnähe zu bleiben“, empfiehlt Atomic Manager Ralf Schörghofer aus Filzmoos. „Am Beginn des Winters ist es besonders wichtig, sehr sorgfältig zu planen, weil die Kombination aus kurzen Tagen, niedrigen Temperaturen und oft noch geringen Schneemengen dafür sorgt, dass noch nicht alle Skitouren etwa bei uns in den oft sehr felsigen Julischen Alpen machbar sind. Ein besonderes Risiko ist, dass es in niedrigeren Höhen auf den Schnee regnet, was dann zu extrem gefährlicher Vereisung führt“, betont der slowenische Skitourenexperte Janko Humar. Wer in der ersten Winterhälfte Skitouren in die höher gelegenen Teilen der Julischen Alpen plant, soll, so Humar, unbedingt einen erfahrenen regionalen Bergführer engagieren, der die aktuellen Bedingungen professionell einschätzen kann.
Die Experten
Janko Humar
ist ein slowenischer Skitourenexperte aus der Region Julische Alpen
www.julian-alps.com
Michael Mautz
ist Berg- und Skiführer der Kärnten Alpinschule High Life
www.highlife.co.at
Ralf Schörghofer
aus Filzmoos im Salzburger Land ist Manager bei Atomic
www.filzmoos.at
Vor der ersten Skitour ist es unumgänglich, die Ausrüstung zu checken. „Am wichtigsten ist, spätestens am Vorabend der Tour, das Fell zu prüfen, insbesondere ob die Klebefläche noch intakt ist. Den Schuh sollte man anziehen und den Bindungseinstieg checken“, lauten Tipps von Ralf Schörghofer. Aufgrund der kurzen Tage und um sich wieder an die körperliche Beanspruchung, die Bewegung und vor allem die Schuhe, die man viele Monate nicht getragen hat, zu gewöhnen, sollten die ersten Touren eher kürzer ausfallen. Nicht so routinierten Skitourengehern empfehlen die Experten gezielte Trainings bzw. Kurse. „Zwischen Anfang Dezember und Anfang Februar bieten wir als Alpinschule mehrere Kurse speziell für Tourengeher an: Eigene Tiefschnee-Skitechniktrainings für mehr Spaß in der Abfahrt. Safety-Academy-Tage fürs Auffrischen des Einsatzes der Notfallausrüstung. Und spezielle Skitouren-Einsteigerkurse“, beschreibt Mautz das High Life-Kursangebot.
Zwischen Faszination & Gefahr
Das Streben, gleich nach dem ersten Schneefall losziehen zu wollen, ist eng mit der Sehnsucht, lässige Abfahrten im frischen Pulverschnee zu machen, verbunden. Die erste Winterhälfte hat, wie der Kärntner Mautz schwärmt, viele Reize: „Der tiefe Sonnenstand mit speziellen Lichtstimmungen, die kurzen Tage und die klirrende, trockene Kälte machen Skitouren im Dezember und Jänner zu besonderen Erlebnissen.“ Für Janko Humar macht die Kombination aus frischem, leuchtend weißem Schnee und die Tatsache, dass es am Berg viel länger hell und sonnig ist als im Tal die Faszination aus.
Zu den unerfreulichen Besonderheiten gehört das komplexere Lawinenrisiko. „Weil die Sonne so tief steht und die Temperaturen in der Regel niedrig sind, ist im Dezember und Jänner die Lawinensituation deutlich komplexer und spezieller einzuschätzen als im März und April. Damit ein Hang lawinensicherer wird, braucht es Wärme, die mangels Sonneneinstrahlung oft fehlt“, erläutert Bergführer Mautz. Zur Einschätzung des Lawinenrisikos braucht es regionale Ortskenntnisse und aktuelles Wissen um die Schnee- und Wettergegebenheiten. Alternativ kann man sich beim regionalen Tourismusverband erkundigen oder gesicherte Aufstiegs-/Abfahrtrouten wählen. „Vielfach, so auch bei uns in Filzmoos, gibt es abseits, doch im Nahbereich von Pisten, eigene Aufstiegsstrecken verbunden mit der Möglichkeit, auf der präparierten Piste zurück ins Tal zu fahren“, weiß Atomic Manager Schörghofer
Frühstart-Regionen
„Ideal, gerade im Frühwinter, sind die Nockberge etwa im Bereich Innerkrems. Sie sind schneesicher und der Untergrund besteht vielfach aus Wiesenhängen und sanfterem Gelände, wo man auch bei wenig Schnee unterwegs sein kann. Andere meist früh machbare Touren führen aufs Stubeck nahe Gmünd sowie zur Klagenfurter Hütte bzw. auf den grasbewachsenen Kosiak in den Karawanken“, lauten die Tipps des Kärntners Mautz.
Filzmoos bietet zusätzlich zu den zwei ausgeschilderten Aufstiegsrouten in Pistennähe zahlreiche bereits im Dezember und Jänner gut machbare Touren. „Einfach ist die kurze Tour von der Rettensteinhütte aus, wo man auf einer ehemaligen Piste abfahren kann. Von Hachau aus gibt es mehrere Touren mit 1,5 bis 2,5 Stunden Aufstieg, die lässige Powderabfahrten ermöglichen. Und auch schon gut machbar sind Touren auf den Rettenstein“, weiß Ralf Schörghofer.
„In Slowenien gibt es vor allem in den niedriger gelegenen Teilen der Julischen Alpen zahlreiche in der ersten Winterhälfte gut machbare Skitouren, etwa auf den Stol südwestlich von Bovec, den Matajur, einen Gipfel an der Grenze zwischen Slowenien und Italien, südwestlich von Kobarid oder von der Pokljuka Hochebene westlich von Bled als Ausgangspunkt. Auch die Karawanken an der Grenze zwischen Slowenien und Österreich bieten sich mit dem Dovška Baba (Frauenkogel) oder dem Struška (Bärentaler Kotschna) an“, betont Janko Humar.
KNOW-HOW
Skitouren – Erste Winterhälfte
„Am Beginn der neuen Skitouren-Saison startet man nicht auf dem Level, auf dem man am Ende des vergangenen Winters war. Auch wenn man sehr motiviert ist, sollte man defensiv und nicht zu ambitioniert beginnen, um wieder ein Gefühl fürs Skifahren und den Schnee zu bekommen“, rät der Kärntner Berg- und Skiführer Michi Mautz.
Vorbereitung
- Check der Ausrüstung (Ski, Bindung, Klebeleistung der Felle usw.) spätestens am Vorabend der ersten Tour
- Skischuh-Anprobe und kurzes Gehen
- Neue Batterien für LVS-Gerät und Lawinen-Airbag bzw. Kartuschen-Check
- Auch bei kurzen, einfachen Touren: gründliche Tourenplanung unter Beachtung der regionalen Gegebenheiten, der Lawinensituation und des Wetters in den Tagen davor
- Zumindest zu zweit und mit vollständiger Sicherheitsausrüstung auf Tour sein
Zum Einstieg
- Einfahren: vor der ersten Tour ein paar Stunden (Pisten-)Skifahren mit Tourenski
- Geländewahl: unproblematischen Untergrund wählen. Womöglich noch unzureichend eingeschneite Felsen, Baumstümpfe, umgestürzte Bäume oder Latschen meiden
- Erste Touren: eher kürzer als zu lange und eher unterfordernd als überfordernd, um sich Zeit fürs Wiedereingewöhnen zu geben
Speziell zu beachten
- Kurze Tage & meist niedrige Temperaturen
- Regional spezifische Lawinensituation ganz besonders beachten. Eventuell eher in bewaldeten Regionen bleiben
- Rücksichtsvoll verhalten, bezogen auf ausgewiesene Jungwaldflächen und Wildtiere. Daher nicht schon in der Dämmerung am Morgen oder Abend unterwegs sein