Wandern kann man auch dort, wo es keine Seilbahnen gibt. Deshalb haben wir beim Wandern kein Alleinstellungsmerkmal“, lautet immer noch eines der Killer-Argumente, wenn diskutiert wird, ob sich Seilbahnunternehmen aktiv um das Wandern kümmern sollten oder nicht. Dabei wäre es ein Leichtes und im übrigen Kostengünstiges, das vorhandene Wander-, Bergsteig-, Kletter- bzw. Klettersteigangebot ähnlich plakativ, modern und sehnsuchtsbehaftet darzustellen wie andere bergbahnen-initiierte Sommer-Attraktionen.

In der Sommerkommunikation der allermeisten Bergbahnen stehen Family-Erlebnisse, Rodelbahnen, Aussichtsplattformen, Bike-Areas u.ä. im Vordergrund. Klar, denn ohne sie wäre die herausragende alpenweite Entwicklung sehr vieler Sommerbergbahnen zu Besuchermagneten nicht möglich gewesen. Wandern hingegen stand und steht meist gar nicht im Fokus. Weil es lange als verstaubt und „alt“ galt. Weil es schon immer da war. Weil gemutmaßt wird, dass Wanderer mit Seilbahnen nichts am Hut haben. Dabei wird unterschätzt, dass das moderne Wandern samt Speedhiking, Trailrunning und Klettern attraktiv und zielgruppengerecht vermittelt, deutlich mehr sein kann als ein Mit- bzw. Selbstläufer.

Hinzu kommt, dass es für die interessante, attraktive, verlockende Inszenierung des Wanderns & Co ab Bergstation nur minimale Investitionen braucht. Auch die laufenden Kosten sind gering. Und da Wanderer nicht länger im Nahbereich der Attraktionen um die Berg- bzw. Mittelstationen bleiben, sondern erst am Ende ihrer Route wieder zur Station zurückkehren, blockieren sie nicht den „Platz“, den andere Gästegruppen benötigen. Klar ist, dass es beim Seilbahn-Wandern nur um Routen gehen kann, die Erstzutritte generieren. Konkret heißt das, Wanderstart ab Mittel- oder Bergstation. Endpunkt ebenda bzw. bei der Talstation. Überdies ist es ratsam, die Machbarkeit von (Nischen-)Angeboten, etwa Bergauf-Trainingsstrecken, die dank Seilbahn-Talfahrt besonders knieschonend sind, zu prüfen.

Den EINEN Wanderer gibt es nicht

Das betont der deutsche Wanderexperte Prof. Dr. Heinz-Dieter Quack. „Vielmehr gibt es viele verschiedene Typen von Wanderern“, weiß der Forscher. „Entscheidend ist, was der Gast als Wandern empfindet, selbst wenn er nicht einmal eine Stunde unterwegs war“, betont Quack. „Der durchschnittliche Wanderer bevorzugt leichte bis wenig anstrengende Wanderungen mit geringen oder moderaten Steigungen und geht 10 bis 15 Kilometer weit. Die Anzahl derer, die anspruchsvolle bis sehr anspruchsvolle Touren bevorzugt ist deutlich geringer“, erläutert er. Entsprechend wichtig ist es, klar zu sehen, welche Typen von Wanderern und Bergsportlern man als Seilbahnunternehmen anspricht. Die Grundlage dafür liefern die Tages- und Urlaubsgästestruktur im Einzugsbereich zusammen mit den Möglichkeiten, die das jeweilige (alpine) Gelände bietet.

Bergspaziergang ist schon Wandern

„Unsere Gäste empfinden den kurzen Bergspaziergang auf einem Panoramaweg von der Bergstation zu einem idyllischen Spiel- und Kraftplatz und wieder zurück als Wanderung“, berichtet Klaus Herzog von den Bergbahnen am Nassfeld in Kärnten. Herzog ist einer der Seilbahner, die zusätzlich zu Aussichtsplattform, Almspielplatz mit Fotopoint, Kugelbahn u.ä. am Gartnerkofel auch auf Wanderer und Bergsportler setzen. „Den nahe der Bergstation gelegenen, spektakulären Klettersteig ‚Däumling‘ haben wir 2014 eröffnet. Seither gelingt es uns, zusätzliche Gäste auf den Berg zu bringen, die ohne Klettersteig nicht oder viel seltener kommen würden“, verrät er. Herzog ist Initiator und Finanzier des „Wanderparadies Gartnerkofel“, der in Finalisierung befindlichen, plakativen Darstellung des Wander- und Bergtourenangebots ab Bergstation der Gartnerkofelbahn. „Wir präsentieren 16 Vorschläge, die alle bei der Bergstation beginnen. Zehn enden auch wieder dort. Sechs führen zur Talstation“, beschreibt der Kärntner das neue Angebot. „Für alle 16 nutzen wir bestehende Wege. Wir stellen mit der Routenführung die Besonderheiten der Bergwelt des Nassfelds ins Schaufenster. Und wir laden die Gäste dazu ein, auch abseits unserer Klassiker, wie auf den Gartnerkofel-Gipfel, in der alpinen Natur unterwegs zu sein“, beschreibt Klaus Herzog seine strategischen Überlegungen.

Die Experten

Prof. Dr. Heinz-Dieter Quack
Wanderexperte, Ostfalia-Hochschule Wolfenbüttel/Salzgitter
www.ostfalia.de

Mag. Klaus Herzog
Initiator Wanderparadies Gartnerkofel
Naßfeld Liftgesellschaft
www.nassfeld.at