Von Null auf Krise – das hat Michaela Burger (im Bild) am 9. Jänner 2024* mit voller Wucht erlebt. Wie entscheidend es ist, im Krisenfall „vorbereitet“ zu sein, schildert uns die Geschäftsführerin der Bergbahnen Hochötz. Ein SI Trend Check-Gespräch mit der Seilbahnerin, die gerade erst kommunikationsmäßig und emotional „durchs Feuer ging“.
Web-Exkluisve Langfassung des Interviews. Kursive Teile = Langfassung.
SI – Seilbahnen International: Wie hast du das Unglück samt Kabinenabsturz und die ersten Momente danach erlebt?
MB – Michaela Burger: Im ersten Moment kann man nicht glauben, dass es stimmt. Und doch weiß man, dass es stimmen muss, denn mit so einem Vorfall macht niemand einen Spaß.
SI: Wie bist du bezüglich Krisen-Kommunikation vorgegangen?
MB: Ich bin die Leiterin des Krisenstabs der Bergbahnen Hochötz und in der Funktion auch für die Kommunikation zuständig. Mein erster Anruf war bei der Hotline unseres Krisen-Kommunikationspartners P8** in Innsbruck, verbunden mit dem Ziel, sofort mit der Kommunikationsarbeit zu beginnen.
SI: Wie wart ihr auf den Fall der Fälle vorbereitet?
MB: Wir trainieren regelmäßig die Abläufe, sollte es zu einer Krisensituation kommen. Dabei spielen wir alle möglichen Krisen bezogen auf die Kommunikation durch. Doch dachten wir bisher primär an schwere Pistenunfälle, Bahnstillstände durch einen technischen Defekt o.ä. Ein Ereignis wie einen Kabinenabsturz, das es meines Wissens in der Form auch noch nie gegeben hat, hatten wir aber nicht im Hinterkopf.
SI: Hat dir diese Vorbereitung geholfen?
MB: Du kannst zwar Krisensituationen trainieren, und doch hat man so einen extremen Fall auch beim Training nicht im Kopf. Trotzdem hat uns das Durchspielen der Kommunikationsabläufe enorm geholfen, etwa welche Auskünfte man geben kann, wie ist die Informationskette gestaltet, wie erfolgt das Vorgehen Richtung Presse und wie wird mit Telefonanrufen umgegangen u.v.m.
SI: Du hast P8 erwähnt. Wie konkret erfolgte die Zusammenarbeit?
MB: P8 ist unser Partner im Bereich Krisen-Kommunikation. Einmal pro Jahr trainieren wir im Rahmen eines Workshops das Vorgehen auf Basis eines Krisen-Handbuchs, das laufend aktualisiert und ergänzt wird. Überdies steht uns die bereits erwähnte 24/7 besetzte Krisen-Hotline zur Verfügung.
SI: Der Unglücksfall war am 9. Januar 2024 um 10:15 Uhr. Wie erfolgte unmittelbar danach euer Agieren?
MB: Wir hatten im Team eine klare Rollenverteilung. Jeder wusste, wer was zu tun hat. Der Betriebsleiter etwa hat sich um die Rettungskette zu koordinieren und zu entscheiden wie bezogen auf die Sicherheit weiter vorzugehen ist. Zum Zeitpunkt des Unglücks waren mehrere hundert Personen in der Bahn. Und er musste entscheiden, ob wir die Bahn leerfahren können oder nicht. Die MitarbeiterInnen an den Kassen haben sich um die Gäste zu kümmern, ohne aber eine konkrete Information raus zu geben, was passiert ist. Und alle Telefone werden in so einem Fall auf eine Person umgeleitet, die die eingehenden Anrufe bearbeitet.
SI: Wie habt ihr in Richtung Presse agiert?
MB: Wir haben zusammen mit P8 binnen 20 Minuten eine erste Pressemitteilung erstellt und an die Medien versendet. Durch dieses zügige Hinausgehen ist es uns gelungen, so gut wie möglich die Kontrolle über die Kommunikation zu erhalten. Da es sich sehr schnell, nicht zuletzt aufgrund der Hubschrauber, der Rettungskräfte u.v.m. herumspricht, dass etwas passiert sein muss, waren bald erste Medienvertreter vor Ort. Ich habe mich diesen Anfragen gestellt und begonnen Interviews persönlich und telefonisch zu geben. Dabei ist es wichtig, nur gesicherte Informationen weiterzugeben.
SI: Hubert Juen, der Bezirkspolizeikommandant von Imst, nahm eine zentrale Rolle bei der Information zum Unglück ein?
MB: Wir waren in sehr enger Abstimmung mit der Polizei, die intern geregelt hatte, dass nur der Bezirkspolizeikommandant Auskunft geben darf. Wichtig ist zu wissen, dass die Polizei nur gesicherte Infos weitergibt. Etwa wussten wir zwar schnell, wie viele Personen in der abgestürzten Kabine waren, nicht aber wer. Diese Auskunft gab die Polizei erst weiter, als sie gesichert war. In dem Fall ist es wichtig, nicht auf Spekulationen, die schnell im Umlauf sind, einzugehen, sondern darauf hinzuweisen, dass auf die gesicherten Informationen der Polizei gewartet werden muss.
SI: Die Kommunikation umfasst neben den Medien zahlreiche weitere Personengruppen – Angehörige der Betroffenen, Gäste im Skigebiet und in der Region, Tourismusbetriebe, Mitarbeiter, Eigentümer des Seilbahnunternehmens u.v.m. Wie seid ihr dabei vorgegangen?
MB: Wir haben unsere Pressemitteilungen genützt, um weitere Personengruppen zu informieren. Wir haben die Informationen per Newsletter an die Beherbergungsbetriebe gesendet. Der Tourismusverband hat es übernommen, die Infos und Updates via Website zu veröffentlichen. Schnell haben wir auch die Eigentümer informiert. Ebenso essenziell ist die Information an die eigenen Mitarbeiter, insbesondere auch an die, die zu der Zeit in anderen Teilen des Skigebiets arbeiten. Dabei ist wichtig, dass sie klar wissen, was an Information sie auch weitergeben dürfen.
SI: Wer war neben dir noch in die Krisen-Kommunikation der Bergbahnen involviert?
MB: Unser Aufsichtsratsvorsitzender Hansjörg Falkner, der Bürgermeister von Ötz ist, ist zur Talstation der Seilbahn gekommen und ist als Ansprechpartner zur Verfügung gestanden. Dabei waren wir sehr eng abgestimmt. Ebenfalls Auskünfte gegeben haben die Krisenprofis von P8.
SI: Was sind für dich die zentralen Schlussfolgerungen nach dem Unglück?
MB: In bin froh zu sehen, dass wir als Team in der Krise sehr gut „funktioniert“ haben und jeder sich auf den anderen hat verlassen können. Besonders wichtig war, dass der Betriebsleiter sich auf seine zentralen Aufgaben konzentrieren konnte und wir ihm alles andere abgenommen haben. Neben der Kommunikation nach außen ist es zentral, die eigenen Mitarbeiter in der Krisensituation professionell und schnell zu informieren. Mein zentraler Rat ist, die Krisen-Trainings auch dann regelmäßig zu machen, wenn man das Gefühl hat, es habe sich nichts geändert. Im Fall des Falles ist man dann heilfroh, eine eingespielte, professionelle Krisen-Kommunikationsstruktur zu haben.
Ganz besonders wichtig erscheint es mir, aktiv den Kontakt zu den Verletzten und ihren Familien zu suchen. Man sieht diese Personen vielleicht kurz beim Abtransport per Rettungswagen oder Hubschrauber, doch dann sind sie „weg“. Daher sollte man unbedingt den Mut und die menschliche Größe aufbringen, auf sie zuzugehen, auch wenn man nicht weiß, was einen erwartet. Mit der Verantwortung, dass sie Gast im eigenen Gebiet waren, gilt es zu erfragen, wie man sie unterstützen und was man für sie tun kann.
* Am 9. Jänner 2024 stürzte aus bis heute im Detail nicht endgültig nachvollziehbarer Ursache ein Baum auf das Seil der Acherkogel-Einseilumlaufbahn. Das ließ eine Kabine mit vier Personen an Bord abstürzen, wohl weil der Baum die Seilklemme oder das Seil nahe der Seilklemme traf. Die insgesamt sechs Verletzten haben sich mittlerweile gut erholt. Und die Acherkogelbahn konnte bereits am 12. Jänner 2024 ihren Betrieb wieder aufnehmen.
** P8 ist eine u.a. auf Krisen-Kommunikation spezialisierte Marketingagentur
How-to: Krisen-Kommunikation
Professionell und schnell agieren
Die Bergbahnen Hochötz haben in der Krise auf ein eingespieltes und regelmäßig trainiertes Agieren, das mit Hilfe eines externen Partners (P8 Marketing, Innsbruck) etabliert wurde, zurückgegriffen. Es baut auf:
- Krisenbereitschaft 24/7/365
- Aktives Kommunizieren – Erstmeldungen binnen 60 Minuten nach Eintritt des Ereignisses an die Medien
- In der Folge:
– Medienarbeit – weitere aktuelle Informationen an die Medien senden
– Aufbereitung interner Wordings
– Medienbetreuung inklusive Koordination von Interviewanfragen & Medienterminen
– Monitoring von klassischen Medien und Social Media
– „Blick von außen“ hilft in der Krise die, Übersicht zu behalten - Basics:
– Jährliche Workshops und Übungen zu Krisenszenarien
– Krisenhandbuch, das laufend aktualisiert wird
Quelle: P8 Marketing, Benjamin Rohrer, www.p8.eu